Palanga, auch die Sommerhauptstadt Litauens genannt, ist der aktivste Urlaubsort des Landes. Touristen aus Litauen und der ganzen Welt kommen hierher, um reine Luft der Kiefernwälder zu genießen, in der Ostsee zu baden oder mit einem Buch in der Hand in den Dünen zu entspannen. Auch an Angeboten für aktive Freizeitgestaltung und Nachtleben mangelt es nicht.
Die wenigsten aber wissen wohl, dass Palanga nicht ganz zufällig zum beliebtesten Ferienort des Landes wurde. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hatten die Grafen Tyszkiewicz, die hier nicht nur ihre Sommerresidenz errichteten, sondern auch der Stadt zum Aufschwung verhalfen. Auf ihre Initiative brachte man den Strand in Ordnung, legte Wege an und baute Ferienhäuser. Das erste Hotel-Restaurant vor Ort, das sogenannte „Kurhaus“, war ebenfalls eine Hinterlassenschaft der Tyszkiewicz.
Die Tyszkiewicz erwarben Palanga 1824. Zunächst verbrachten sie hier nur die Sommerfrische, bis Feliks Tyszkiewicz, in dessen Besitz das hölzerne Herrenhaus 1891 überging, beschloss sich hier endgültig niederzulassen. Unter seiner Aufsicht wurde im Birutė-Kiefernhain ein Palais nach einem Entwurf des deutschen Franz Schwechten errichtet.
Das zweistöckige Palais mit Zügen von Renaissance, Barock und Klassizismus ist bis heute erhalten geblieben und gilt als Symbol der Stadt. Seit einigen Jahren beherbergt es das wiederbelebte Bernsteinmuseum. Hier erwartet den Besucher eine einzigartige, annähernd 6 500 Exponate umfassende Sammlung. Auch das restaurierte Innere des Herrenhauses kann besichtigt werden.
Im Erdgeschoss kann man die Kultur des litauischen Adels und den Geist dieser Zeit deutlich spüren. Hier spielte sich das aktives Leben der großen Familie der Tyszkiewicz ab. Im roten Salon saß man beisammen um über Familienangelegenheiten zu sprechen, zu festlichen Dinners wurde in den großen Speisesaal geladen, während Gespräche über Literatur und Musik im großen Salon stattfanden, den man auch das Kaminzimmer nannte.
Das Schloss umgibt der große, von Urlaubern gern besuchte Birutė-Park. Mit seinem Entwurf hatte Feliks Tyszkiewicz 1895 den berühmten französischen Architekten Eduard Francois André und seinen Sohn René André beauftragt.
Zur Umsetzung des Vorhabens verwandelte man die Sumpflandschaft rings um das Schloss in malerische Teiche, legte Wege durch die Jahrhunderte alten Kiefernwälder an und pflanzte über 500 Bäume und Sträucher, die man aus den botanischen Gärten in Berlin und Königsberg herbeigeschafft hatte.
Nicht alles, was die Gutsbesitzer ersonnen, hat bis in unsere Zeiten überlebt. Auf der Vorderseite des Palastes steht jedoch immer noch der Springbrunnen mit der Skulptur des segnenden Jesus, während die andere Seite des Palastes ein farbenprächtiger Rosengarten schmückt. Jeden Sommer betört der Rosenduft aufs Neue und lässt die Zeiten der Tyszkiewicz wiedererstehen.
Nicht mehr als 13 Kilometer trennen Palanga von einem anderen kleinen, ebenfalls aristokratischen Geist verströmenden Städtchen: Kretinga. Das dortige Herrenhaus hat seit dem 16. Jahrhundert viele Besitzer gesehen, darunter die Chodkiewicz, Sapiega, Massalski, die Grafen Potocki und Subow, bis 1874 schließlich Józef Tyszkiewicz Gut Kretinga erwarb.
Das im 19. Jahrhundert im Stil des Neoklassizismus erbaute Palais beherbergt heute ein Museum. Neben dessen Exponaten zeugen mehrere erhaltene Wirtschafts- und Wohngebäude von der Geschichte des Guts. Mit der Wassermühle errichtete Juozas Tyszkiewicz 1878 faktisch das erste Wasserkraftwerk. Die Gräfin initiierte im Krankenhaus ein Alters- und Kinderheim.
Das Aushängeschild von Gut Kretinga ist der von den Tyszkiewicz eingerichtete Wintergarten, damals eine der größten privaten Einrichtungen dieser Art in Europa. Mit seinen immergrünen, üppig blühenden exotischen Gewächsen zog er Besucher aus Klaipėda, Tilsit und Königberg geradezu magisch an.
1940 wurde der Wintergarten auf Gut Kretinga von der Roten Armee zerstört, doch inzwischen stehen seine Tore litauischen wie ausländischen Gästen wieder offen. Das zugehörige Restaurant bietet Gerichte aus dem damaligen Gutsleben, wie zum Beispiel Weinbergschnecken, wie sie zu Zeiten der Tyszkiewicz im Park gehalten wurden.