GUT ŠEŠUOLĖLIAI
Der Name Šešuolėliai wird in den Quellen erstmals 1334 erwähnt. Das Gut gehörte damals der Familie Radziwiłł, danach den Jasinskis. Sein jetziges Aussehen hat es Petras Povilas Končia zu verdanken. Dieser ließ 1900 ein modernes Herrenhaus im englischen Stil errichten. Im Wirtschaftsteil des Guts entstanden eine Schnapsbrennerei und ein Kraftwerk. Elektrische Beleuchtung gab es nicht nur in den herrschaftlichen Zimmern, sondern auch im Stall. Um das Hauptgebäude wurde ein Barockgarten angelegt. Hier pflegte die Gutsbesitzerin Helena Končienė zu lustwandeln, derweil ihr Mann sich um den Gutsbetrieb kümmerte, eine Schule für die Ortsansässigen gründete und eine Bibliothek ins Leben rief. Statt seiner begleitete der Oberst Jonas Varijakojis, ein häufiger Gast des Ehepaares und erheblich jünger als Gutsbesitzer, die Dame des Hauses. Die gemeinsamen Spaziergänge wurden immer länger, bis die beiden einander ihre Liebe gestanden. Der gehörnte Končia verkaufte das Gut an den Liebhaber seiner Frau und emigrierte nach Paris. Der junge Oberst wurde rechtmäßiger Herr auf Gut Šešuolėliai und Ehemann von Helena Končienė.
Unter dem neuen Besitzer ging es mit dem Gut aufwärts. Rentabel waren vor allem das Brennen von Spirituosen und die Kälbermast. Damals beschäftigte das Gut acht Knechte, zwei Melkerinnen und zwei Futtermägde für die Schweine. Eine Wirtschafterin führte den Haushalt, ein Verwalter kümmerte sich um den Gutsbetrieb, und für die Finanzen war ein Buchhalter angestellt. Die Zimmermädchen verdienten monatlich 20 Litas. Mit Waschen und Bügeln konnten sie sich fünf Litas dazuverdienen. Nachdem eine Magd sie bestohlen hatte, führten die Gutsbesitzer eine Probezeit ein. Um ihre Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen, mussten neue Zimmermädchen zunächst als Melkerinnen arbeiten.
Auf dem gepflegten Gut weilten Präsident A. Smetona sowie die Minister J. Tubelis und J. Alekna gern zu Besuch. Der Präsident hatte sein Lieblingszimmer im ersten Stock mit Blick auf den Park. Auch für Ehefrauen gehobener Beamter mit ihren Kindern war das Gut eine beliebte Adresse für die Sommerfrische. Weilten Gäste auf dem Gut, saß der Gutsherr in der Bibliothek. Dort füllte er die Haushaltsbücher aus. Seine Frau nähte und strickte unterdessen im Salon. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, flüchteten die Variakojai in den Westen. Aus dem Gut wurde eine Sowchose. Nach Wiederherstellung der litauischen Unabhängigkeit wurde das Schloss den in den USA lebenden Nachkommen der ehemaligen Besitzer zurückgegeben. 1998 erwarb es der nach Amerika emigrierte Raimundas Petrauskas.