Die alten Parks der Landsitze in Litauen sind Zeugen der reichen Kultur und des täglichen Lebens des Adels. Die raffiniert eingerichteten, mit exotischen Pflanzen bestückten Gärten waren für ihre Besitzer ein Mittel, ihren gesellschaftliche Stand zur Schau zu stellen. Natürlich boten sie sich außerdem für angenehmen Zeitvertreib oder aufwändige Bankette an.
Die meisten der historischen Parks in Litauen haben ihre jetzige Gestalt im 19. Jahrhundert erhalten, doch ihre Geschichte reicht viel weiter zurück. Werfen wir einen Blick auf sechs Gutsparks, die sowohl wegen der beeindruckenden Landschaftsarchitektur als auch der sie umgebenden Legenden bemerkenswert sind.
Gut Burbišķis im Regionalpark Anykščiai ist ein Architekturdenkmal des 19. Jahrhunderts, das mit seinen eleganten Formen besticht. Der 5 Hektar große Park gemischten Typs, der sich anmutig an das Herrenhaus schmiegt erinnert an die Zeiten der litauisch-polnischen Familie Venclovavičiai auf Burbiškis. Hier wachsen nicht nur gewöhnliche Linden und Tannen, sondern auch mächtige Eichen mit einem Durchmesser von bis zu 90 Zentimetern. Der friedlich wirkende Park weiß auch traurige Geschichten zu erzählen. Neben einer Zedernkiefer wurde der junge Sohn der Venclovavičiai begraben, und an demselben Ort erhängte sich wenig später auch seine Mutter, die den Verlust nicht verschmerzen konnte. Man erzählt sich, dass die Pferde heute noch mit den Hufen scharen und schnauben, wenn sie diese Stelle passieren.
Im über 60 Hektar großen Park von Gut Aukštoji Freda wird seit fast 100 Jahren der Botanische Garten der Vytautas-Magnus-Universität betrieben. Die Entstehung des Parks selbst geht jedoch auf ein Ansinnen des Adligen Juozapas Godlevskis zurück. Er ließ hier im neunzehnten Jahrhundert zwei Teiche in den Formen der Buchstaben J und G – seiner Initialen – ausheben. In Litauen der einzig bekannte Fall einer solche Selbstverewigung. Heute rühmt sich der Park von Aukštoji Freda seiner mehr als 1.000 Rosenarten. Jedes Jahr blühen hier zudem verschiedene Arten von Tulpen, Schwertlilien und Pfingstrosen.
Der stolze 118 Hektar einnehmende Park von Gelgaudiškis am Ufer des Nemunas ist einer der repräsentativsten des Landes. Hier ließen es sich die einstigen Gutsbesitzer gut gehen, indem sie Jagdbankette ausrichteten, und auf dem „Stern“ genannten Platz pflegte der strenge Medved Komar ungehorsame Leibeigene zu züchtigten. Heute ist der Besucher eingeladen, nicht nur den Park zu bewundern, sondern auch an theatralisierten Exkursionen teilzunehmen, oder nach Manier der Adeligen zu speisen.
Der Park von Gut Plungė umfasst fast 60 Hektar und wurde im 19. Jahrhundert von Michał Ogiński und seiner Frau Maria ins Leben gerufen. Die Anlage am Babrungas-Ufer mit Alleen, Zierbeeten und Teichen war der bevorzugte Ruheort der Gutsbesitzer. Einige Bäume im Park sind sogar mehrere Jahrhunderte alt. Der berühmteste von ihnen ist die Perkūnas- Eiche, neben der in vorchristlichen Zeiten ein heiliges Feuer brannte. Und eine alte Legende empfiehlt jungen Paaren, die auf Nachwuchs hoffen, fünfmal um die fünfstämmige Esche herumzulaufen.
Der Park von Gutshof Šešuolėliai erhielt sein heutiges Aussehen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als der damalige Gutsbesitzer Povilas Končienė ihn zu einem Barockgarten umgestalten ließ. Wege und Alleen wurden den vorhandenen Hügeln, Vertiefungen, Flusswindungen angepasst, außerdem wurde ein steingepflasterter Teich angelegt. Helena Končienė, die Frau des Gutsbesitzers, liebte besonders die Roteichenallee. Hier pflegte sie mit dem Obersten Jonas Variakojis spazieren zu gehen, der bald ihr Geliebter wurde. Da diese Affäre nicht im Verborgenen blieb, wurde die Allee von den Einheimischen „Liebesallee“ genannt.
In der laub- und nadelbaumreichen Parkanlage rund um das Herrenhaus Biržuvėnai pflegte die Familie Gorski, einstmals Besitzer des Anwesens, viel Zeit zu verbringen. Sie freuten sich an den farbenprächtigen Blumenbeeten, den zwischen den Bäumen angelegten Wegen, den Teichen mit ihrer spiegelklaren Oberfläche. Allerlei geheimnisvolle Orte im Park pflegten ihre Phantasie anzuregen. Noch heute erzählt man sich, dass das ein Trunk aus der dortigen Quelle Gesundheit und Jugend verspricht, und dass die zweistämmige Kiefer Wünsche erfüllt. Im Park von Gut Biržuvėnai kann man auch den „Laumenfuß“ besichtigen. Die Ältesten wissen noch, dass sich an diesem Stein die feengleichen Laumen versammelten, um Jünglinge ins Badehaus zu locken. Wer der Versuchung nicht widerstand, fand in ihren Armen den unausweichlichen Tod.