GUT ŠILUTĖ, auch GUTSHOF VON HUGO SCHEU genannt
Gut Šilutė entstand 1721 im Zuge der preußischen Verwaltungsreform. Lange Zeit wurde das Gut verpachtet. Der Pächter musste sich neben seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit auch um das Einsammeln der Abgaben und Buchführung kümmern sowie als Richter fungieren, wenn es zwischen den Bauern zu Streitigkeiten kam. Am längsten saß die Familie Radke auf dem Gut. Im Laufe von 150 Jahren konnten sie das Gut von mehreren Zig bis auf mehrere Hundert Hektar vergrößern.
Die Blütezeit des Guts brach 1889 an, als Hugo Scheu, der Besitzer des Guts Lėbartai, es übernahm. Er hatte sich in Gut Šilutė mit seinem endlos langen Marstall bereits zu Jugendzeiten auf seinen Fahrten zum Markt verguckt. Mit 44 Jahren schließlich kaufte er das ersehnte Objekt für 540 000 Mark. Von der Pracht, die ihn in seinen Jugendtagen so beeindruckt hatte, war jedoch nur wenig geblieben. Kurz darauf fuhr auch noch ein Blitz in das Strohdach des Stalls und setzte die ohnehin schon zerfallenen Gebäude in Brand.
Der neue Gutsbesitzer musste also bauen. Um ein breiteres Panorama aus den Fenstern des Gutshauses zu ermöglichen, wurden Marstall und Kuhstall etwas weiter nach hinten verlagert. Neben dem Gut wurde ein englischer Park angelegt. H. Scheu trennte 750 Hektar Land für sich selbst ab und teilte das restliche Land in einzelne Parzellen, die er an Neusiedler verpachtete, verkaufte oder ihnen unentgeltlich zur Verfügung stellte. So ließen sich auf dem Gutsgelände rund 120 Familien nieder. Einen Teil des Landes schenkte er der Stadt. Auf den städtischen Grundstücken entstanden ein Krankenhaus, eine Grundschule, eine Kirche und ein Hafen. Auf Initiative von Hugo Scheu wurden eine Land- und eine Hauswirtschaftsschule gegründet sowie der Varnamiškis-Park angelegt.
Hugo Scheu war ein unermüdlicher Arbeiter, der sich nachts nur vier Stunden Schlaf gönnte. Er beteiligte sich aktiv bei den Kreisausschüssen von Klaipėda und Šilutė. Auch an Volkskunst hatte er Interesse. In zwei Räumen des Gutshauses richtete er ein Museum mit lituanistischen, ethnografischen und archäologischen Exponaten ein. Die Bibliothek enthielt nahezu sämtliche Bücher Kleinlitauens in litauischer Sprache. Er beherrschte die Sprache selbst recht gut und sammelte Märchen und Überlieferungen.
Auf seine alten Tage ersuchte er die Evangelische Kirche in Šilutė in einem Schreiben, dass man in der Gruft der Kirche begraben möge. Dieser Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Als Hugo Scheu mit 92 Jahren starb, wurde er auf dem alten Gutsfriedhof bestattet.
Nach Hugo Scheus Tod im Jahr 1937 erbte der Enkel Werner Scheu das Anwesen. Dieser flüchtete, als der Krieg näher rückte, nach Deutschland. Das Gut wurde verstaatlicht. Zunächst wurde hier ein Vorwerk eingerichtet, später ein Agrartechnikum.
Im restaurierten Teil des Gutshauses befinden sich heute die Verwaltung des Šilutė-Museums, ein Touristeninformationszentrum und eine Bibliothek.