Westlitauen verknüpfen viele von uns in erster Linie mit der Ostsee und den Badeorten, dabei gibt es in dieser Gegend viele Objekte des Natur- und Kulturerbes. Besonders hervorzuheben sind die vornehmen Landsitze, bei deren Besuch man wie mit einer Zeitmaschine in verschiedene Epochen der litauischen Geschichte versetzt wird. Zugleich bieten sie Gelegenheit, mehr über die reiche litauische Adelskultur zu erfahren.
Wir möchten Ihnen an dieser Stelle die drei Herrensitze Plungė, Biržuvėnai und Šilutė vorstellen.
Gut Plungė nimmt in Litauen einen besonderen Stellenwert ein und wird oft das „Versailles von Samogitien“ genannt. Der seit dem sechzehnten Jahrhundert urkundlich erwähnte Landsitz erlebte seine eigentliche Blüte am Ende des 19. Jahrhundert unter Fürst Michał Ogiński und seiner Frau Maria. Ihnen verdanken wir den heutigen Palast im Stil der Neorenaissance mitsamt einem wunderschön gestalteten, 60 Hektar umfassenden Park.
Getreu ihrer familiären Traditionen gründete M. Ogiński auf dem Gut eine Musikschule. Hier lernte vier Jahre lang auch der damals noch jugendliche Mikalojus Konstantinas Čiurlionis. Musik ertönte auch anlässlich der Festmähler auf dem Gut, wenn vom weißen Marmorbalkon im Salon das Gutsorchester den Gästen aufspielte.
Heute beherbergt Gut Plungė das Samogitische Kunstmuseum, es werden Werke litauischer und ausländischer Künstler ausgestellt sowie Konzerte organisiert. Die Besucher sind eingeladen, die von Graf Platon Subow, einem anderen ehemaligen Besitzer des Guts, gestiftete rote Backsteinuhr zu besichtigen und einen Spaziergang im mythenreichen Schlosspark zu machen. Es heißt, dass hier in heidnischen Zeiten ein heiliges Feuer brannte.
Biržuvėnai, etwa 20 Kilometer von Telšiai entfernt, rühmt sich als einziges Gut in Litauen seiner bis heute erhaltenen Holzarchitektur aus dem 18. Bis 19. Jahrhundert. Das ehemalige königliche Gut hatte 1670 der samogitische Edelmann Mykolas Gorskis erworben. Im Besitz der Gorskiai blieb es fast 300 Jahre.
Die Gorskiai waren umtriebige Landwirte: neben dem Vieh kümmerten sie sich um einen Obstgarten mit etwa 150 Apfel-, Pflaumen-, Kirsch- und Birnbäumen. Zusätzlich unterhielten sie eine Kartonfabrik, die später in eine Mühle umgewandelt wurde, und im Badehaus wurde Bier gebraut.
Das Haus hatten die Gorskiai, die oft Gäste empfingen, mit den Wappen ihrer Familien, Kunstwerken und kostbaren Mahagonimöbeln ausgestattet. Während der sowjetischen Besatzung wurde die Einrichtung stark in Mitleidenschaft gezogen, doch die authentischen Kachelöfen aus dem 18. Jahrhundert, der Kamin und Bodenfliesen sind bis heute erhalten.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieg mussten die Gorskiai das Anwesen verlassen. Gerüchten zufolge hatten sie vor der Abreise auf dem Gutsfriedhof Gold vergraben, weshalb der Friedhof manches Mal von „Schatzsuchern“ heimgesucht wurde. Gold wurde nie gefunden, aber 2005 förderte man unter dem Fußboden des Herrenhauses einen anderen Schatz zutage: fast dreihundert Teile eines deutschen Porzellanservices.
Auf eine interessante Geschichte kann auch Gut Šilutė, auch als Hugo-Scheu-Gut bekannt und einer der wichtigsten Gutshöfe in Kleinlitauen, zurückblicken. Gegründet 1721 im damaligen Preußen hatte das Anwesen bis 1889 mehrere Besitzer, bis es 1889 in den Besitz von Hugo Scheu, Gutsherr auf Lebartai, fiel. Dieser investierte viel Zeit in seinen Neuerwerb und kümmerte sich nach Kräften um alle Gutsbelange.
Für sich selbst nur 750 Hektar zurückbehaltend unterteilte er den restlichen Besitz in verschiedene Grundstücke, die er teils vermietete, teils verkaufte und teils der Stadt Šilutė schenkte. Damals ließen sich auf dem Gutsgelände 120 Familien nieder. Auf den anderen Grundstücken entstanden ein Krankenhaus, eine Schule, eine Kirche und ein Hafen.
Noch heute freuen sich sowohl die Bewohner als auch die Gäste der Stadt Šilutė an dem von ebenfalls von Hugo Scheu gestifteten Park beidseitig der Šyša. Der Gutsbesitzer, Mitglied im Botanikerverein, hatte ihn Mithilfe namhafter Pflanzenkundiger erschaffen. Damals wurden um die 150 Sorten Bäume und Sträucher gepflanzt, Teiche ausgehoben, Wege gelegt und Brücken über den Fluss gebaut.
H. Scheu war sehr an der litauischen Nationalsprache interessiert. Er besaß fast alle litauischen Bücher Klein-Litauens und hatte sogar ein Museum eingerichtet. Viele ethnographische und archäologische Exponate seiner Sammlung sind bis heute erhalten und können im Šilutė-Museum im Herrenhaus besichtigt werden.