GUT RAUDONDVARIS
Das aus rotem Backstein errichtete Schloss Raudondvaris in dem gleichnamigen Städtchen stand bereits 1652, als es sein Besitzer Vaitiekus Dziavaltauskas, Kämmerer von Kaunas, erstmals schriftlich erwähnte. Später befand sich das Schloss im Besitz der Edelleute Kossakowski, Radvila, Worlowski und Zabiela. 1825 schließlich bekam es Graf Emmanuel Benedikt Tyszkiewicz von seinem Vater zur Hochzeit geschenkt. Dieser hatte sich noch nicht eingerichtet, als das Schloss 1831 von einem Feuer verwüstet wurde. Beim Wiederaufbau scheute Tyszkiewicz keine Kosten. Die Zimmer wurden von schwedischen Kachelöfen beheizt, an den Wänden hingen die Porträts von Königen und Adeligen und an den Decken prunkten Kronleuchter. Bereits damals verwendete man im Schloss Apparaturen zum Reiben von Kartoffeln und Herstellen von kohlesäureversetztem Mineralwasser. Für Münzen und Juwelen gab es zwei verschiedene Waagen, um den Wert zu schätzen.
Im Schloss wurden Badezimmer und sogar vier Toiletten eingerichtet. Die Ankleidezimmer ächzten unter der Fülle bestickter, mit Tressen besetzter Kleidungsstücke. Der Graf besaß 75 verschiedene Westen und 58 Paar Handschuhe. Um den Überblick zu behalten, wurde eigens die Stelle einer Garderobiere eingerichtet. Der Reichtum schützte jedoch nicht vor anderen Verlusten. Die Gräfin verstarb früh und der Sohn wurde nicht einmal eine Woche alt. Die ältere Tochter raffte der Tod mit 21 Jahren nach einer Krankheit hin. Die jüngere Tochter heiratete daraufhin ihren verwitweten Schwager und gebar bald darauf den Sohn Benedykt Henryk Tyszkiewicz. Dieser sollte später Schloss Raudondvaris von seinem Großvater erben.
Der alte Graf widmete seinem Enkel viel Zeit und gab auch seine Passion für Jagd und Reisen an ihn weiter. Sowohl auf Reisen als auch auf dem Gut ließ Benedykt Henryk den Fotoapparat nicht aus der Hand. Der professionelle Kunstfotograf richtete sogar Ausstellungen im Ausland aus. Auf einer seiner Reisen lernte der Graf seine spätere Frau kennen, die Amerikanerin Elisabeth Clara Bancroft. Wenn das Paar Tyszkiewicz Raudondvaris besuchte, kam das einem Großereignis gleich. Die Hauptstraße wurde mit Lampions geschmückt und die gesamte Dienerschaft stand Spalier.
Weilten die Tyszkiewicz auf dem Gut, wurden mehr Lakaien, Dienstmädchen und Pferdeknechte benötigt. Es gab ebenfalls Arbeit für Orchestermusiker. Das Grafenpaar liebte es, Kostümabende zu veranstalten. Der Graf hatte auf seinen Reisen chinesische Bräuche kennengelernt und wies seine Diener an, 100 rote Laternen in den Bäumen aufzuhängen. Er selbst trug gern die seidenen Gewänder eines chinesischen kaiserlichen Beamten, eines Mandarins. Vier seiner Diener wurden ebenfalls in chinesischer Manier herausgeputzt und mussten ihn in einer Sänfte über das Gut tragen.
Der Graf zog schließlich nach Paris und überließ Gut Raudondvaris seinem ältesten Son Benedykt Jan. Dieser flüchtete vor dem Ersten Weltkrieg ins Ausland. Im Zuge der Parzellierung des Gutes fiel das Schloss dem Fürsorgeausschuss der litauischen Frauen (Lietuvos moterų globos komitetas) zu. Wenig später wurde hier ein Kinderheim eingerichtet. Während des Zweiten Weltkrieges setzten die Deutschen Gutshaus und Orangerie in Brand. Unter den Sowjets beherbergte das Gut eine Maschinen-Traktor-Station und eine Ladwirtschaftsinstitut. Das wiederaufgebaute Gut gilt heute als einer der repräsentativsten Orte im Kreis Kaunas.