GUT GELGAUDIŠKIS
Das Gut Gelgaudiškis ist seit 1504 bekannt. Damals hatte der litauische Großfürst Alexander das Gut zwischen Nemunas und Siesartis samt einem dazugehörigen Waldstück seinem Schreiber Jonas Sapiega geschenkt. Das heutige Herrenhaus wurde zwischen 1842 und 1846 unter dem preußischen Baron Gustav von Keudell gebaut. Dieser besaß viele Güter und hatte sich durch seine Gutsbewirtschaftung, vor allem die Herstellung von Schweizer und Limburger Käse, bereits einen Namen gemacht. Die von Keudell blieben auf Gut Gelgaudiškis, bis sie 1875 die russische Staatsbürgerschaft verloren und sich daraufhin in Dresden niederließen.
Die attraktive Lage von Gut Gelgaudiškis am Nemunasufer weckte das Interesse der Gutsbesitzerin A. M. Komar, und 1898 erwarb sie das Anwesen für eine Million Rubel. Medard Kolmar, ein anderer Vertreter der Familie, begann 1900 mit dem Ausbau des Herrenhauses und nahm in dem Zuge auch Verschönerungsarbeiten vor. Er ließ die Wände mit Atlas ausschlagen und im Empfangszimmer Kristalllüster aufhängen. Auf dem Dach wurde eine kleine Aussichtsplattform eingerichtet, zu der die Bediensteten keinen Zutritt hatten. Und unweit vom Haus legte man sogar einen Tennisplatz an.
Auch die Gutswirtschaft rief nach Erneuerungen. Der Gutsherr ließ die Schmalspurbahn erweitern. Die Wagen wurden von Pferden gezogen. Auf dem Gut wurden Wasserversorgung, Kanalisation sowie Telefon- und Stromleitungen verlegt, sogar ein Aufzug gebaut – in den Augen der Leibeigenschaften nahezu Magie. Als sie auch noch sahen, wie der Herr mit dem Automobil fuhr, bekreuzigten sie sich und riefen: „Das ist der Antichrist auf seinem Ofen!“
Mit den Insten übten die Kolmar wenig Nachsicht. Lohn wurde zwei- bis dreimal im Jahr gezahlt. Heizen durften sie nur mit Baumstümpfen oder verrottetem Holz. Im Herbst wurde sogar der Park abgeriegelt. Wegen des Gestanks durften sie keine Schafe halten und auch das Trinken von Alkohol war ihnen nicht erlaubt. Wer sich seinen Verboten widersetzte, wurde im Park auf einem „Stern“ genannten Waldstück ausgepeitscht. Zu diesem Platz führten acht Waldwege aus verschiedenen Himmelsrichtungen. Die Leibeigenen versuchten jedoch Schwächen ihrer Herrschaften auszunutzen. Einmal hatten Gutsknechte eine habe Torte vernascht. Sie bestrichen die Schnauze von Dianka, der geliebten Hündin der Gutsherrin, mit dem Rest der Torte und luden ihr die Strafe auf.
1922 verkauften die Komar Gut Gelgaudiškis an die litauische Gemeinschaft in den USA und zogen selbst nach Polen. Auf dem Gutsgelände wurden ein Waisenhaus und später eine Schule betrieben. Heute steht Gut Gelgaudiškis wieder Besuchern offen.