GUT KIDULIAI
Schriftliche Quellen erwähnen Kiduliai erstmals im Jahr 1559 als königliches Dorf. Auf Gut Kiduliai lebten der Schatzmeister und Feldschreiber des Großfürstentums Litauen Kryszpin-Kirszensztein und später nacheinander drei samogitische Bischöfe.
1795 fiel Kiduliai Preußen zu. Als 1806 die französische Arme der Grenze näher rückte, schlug König Friedrich Wilhelm III. von Preußen höchstpersönlich sein Quartier hier auf. Der entmachtete König pflegte bis Mitternacht im kleinen Gutskämmerchen zu sitzen und aus dem Fenster zu starren. Manchmal besuchte ihn der russische Zar Alexander und sie sprachen über Politik.
1837 wurde das Gut dem deutschstämmigen Baron Johann von Offenburg für soldatische Treue übereignet. Außer dem Gut erhielt der Baron 45.000 Morgen Land, 15.000 Goldmünzen Jahreseinkommen sowie ein goldenes Schwert.
Der neue Besitzer sorgte für frischen Wind und ließ das Gut komplett neugestalten. Im Hauptgebäude, dem sogenannten Schloss, wurden preußische Kachelöfen eingebaut. Die Zimmer schmückten Jagdtrophäen und Eichenmöbel und auf den Fußböden lagen türkische Teppiche. Außerdem wurde eine Wasserversorgung für das Schloss verlegt, und in den Viehställen richtete man für die Fütterung eine Laufschiene mit Wagen ein. Im Gutssägewerk besorgte eine Lokomobile die Arbeit. Eine weitere, kleinere Lokomobile half beim Pflügen. Mithilfe von Pferden wurde die Lokomobile gut fixiert und dann der Pflug an ein langes Seil gehängt. Mit der Seilwinde wurde das Seil gezogen und damit zugleich der Pflug in Bewegung gesetzt. Zum Verschnaufen hatten die Feldarbeiter keine Gelegenheit. Wenn sie nicht rechtzeitig stehenblieben, bekamen sie sofort die Peitsche zu spüren. Als Aufseher fungierten vier Kammerherren. Zum Beginn und Ende des Arbeitstags ertönte ein Bronzegong. Wem die Arbeit zu schwer war, schlug der Gutsbesitzer vor, sich eine andere zu suchen. Die Insten bekamen für ihre Arbeit 25 Rubel, dazu Roggen, Hafer, Erbsen und Gerste. Im Winter erhielten sie Brennholz, so viel sie benötigten. War die Ernte eingebracht, wurden alle zum Erntefest geladen. Zu diesem Anlass flochten die Arbeiter einen Ährenkranz für ihren Herrn, und dieser bewirtete sie im Gegenzug mit Bier.
Nach dem Tod des Barons übernahm sein Erbe das Gut. Zu Beginn des 1. Weltkriegs zogen die Besitzer von Gut Kuduliai nach England, und im Herrenhaus richteten sich deutsche Soldaten ein. Nach 1918 wurde das Gut an den Landwirt Petrus Mulevičius verpachtet, der ein Mustergut aufbaute. Er hielt eine Herde von fast 100 Kühen, exportierte Butter, braute Bier und bot außerdem Hauswirtschafts- und Kochkurse an.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gut in eine Sowchose umgewandelt und nach Wiedererlangung der litauischen Unabhängigkeit wieder privatisiert. Das Herrenhaus wurde instandgesetzt. Heute beherbergt es eine Bibliothek und lädt zu Gemeindeveranstaltungen ein.