Das sagenumwobene Kloster Pažaislis – ein Meisterwerk des Barock

Das Kamaldulenserkloster Pažaislis, auf der Halbinsel des Kaunasser Haffs gelegen, ist eines der schönsten Beispiele des späten Barocks in ganz Nord- und Osteuropa. Mit dem Namen des im 17. Jahrhundert erbauten Kloster verknüpft man nicht nur eine einzigartige Architektur und das jährlich stattfindende internationale Musikfestival, sondern auch verschiedenste Mythen.

Der Bau eines Heiligtums am Rande von Kaunas, in einem damals abgelegenen Waldstück entsprang einem Ansinnen von Krzysztof Zygmunt Pac, Kanzler des Großfürstentums Litauen. Das Kloster, das einem kleinen Kreis von Gläubigen gewidmet war, kostete insgesamt acht Millionen Gold, und um die Motive des Sponsors rankte sich bald eine Vielzahl wahrscheinlicher und unwahrscheinlicher Geschichten.

Die einen meinten, Pac wolle auf diese Weise für die Vergewaltigung eines jungen Mädchens an eben dieser Stelle sühnen. Andere spekulierten, dass der Bau des Klosters die Teufel, die auf dem Pažaislis-Hügel ihr Unwesen trieben, abgeschreckten sollte. Ungeachtet aller Gerüchte widmete Pac seine ganze Aufmerksamkeit der Umsetzung seines Vorhabens und lud, selbst studiert und vielgereist, Architekten und Freskenmaler aus Italien ein.

Ein Architekt aus Italien, Marmor aus Polen

Das Ensemble des Pažaislis-Klosters wurde von Giovanni Battista Frediani entworfen. Als Vorbild diente ihm das Wappen der Kamaldulensermönche – zwei gemeinsam aus einem Kelch trinkende Tauben. Die beiden Gärten versinnbildlichen die Tauben, der mittlere Teil des Geländes mit seiner Allee der Kelch. Die Kirche sowie der nördliche und der innere Teil des Klosters mit ihren geschlossenen Höfen trennten den Kirchhof von den Mönchszellen. Um auf den Kirchhof zu gelangen, mussten man drei Tore passieren.

Das Klosterensemble wurde aus gebrannten Ziegeln gebaut und bei der Auskleidung der Wände, Türeinfassungen, Balkone und Fußböden wurde nicht mit Marmor gegeizt. Letzteren hatten die Mönche selbst beschafft, da sich das Hauptkloster der polnisch-litauischen Kamaldulenser in Krakau in der Nähe eines Marmorsteinbruchs befand.

Im gesamten Pažaislis-Komplex hob sich hinsichtlich Größe und Architektur vor allem die Kirche hervor. Ihrem sechseckigen Mittelschiff waren zwei 32 Meter hohe Türmen zur Seite gestellt. Im rechten Turm befand sich die von dem Vilniusser Meister J. Delamars gegossene Glocke. Auf Pac‘ Wunsch wurde das Kloster mit zwei Glocken ausgestattet: einer für die dort lebenden Mönche und einer anderen, großen Glocke für die umliegende Umgebung.

Die Klosterkirche war zudem berühmt für ihre barocken Altäre und Fresken italienischer Künstler. Das berühmteste von ihnen war das Fresko „Mariä Krönung“ von Giuseppe Rossi spiegelte das überall im Kloster wiederkehrende Thema der Erhöhung Mariens wider. Auch die übrigen Klostergebäude zierten Fresken mit Szenen des Alten und Neuen Testaments. Heute sind noch etwa 140 von ihnen erhalten.

Das Einsiedlerleben der Mönche

Wie der Gründer von Pažaislis selbst, waren auch die hinter hohen Mauern lebenden geheimnisvollen Mönche Gegenstand manchen Geredes. Im Gegensatz zu den Franziskanern oder Jesuiten mieden die Kamaldulenser allen Kontakt mit der Außenwelt, sondern lebten asketisch und zurückgezogen. Berichten von Zeitgenossen zufolge grüßten sich die Mönche, die ein Schweigegelübde abgelegt hatten, untereinander mit den Worten „Memento Mori” („Gedenke deiner Sterblichkeit”). In ihren Zellen dienten ihnen Särge als Betten und Ziegelsteine als Kopfkissen.

Selbst vor dem im 18. Jahrhundert errichteten, elf Meter hohen Glockenturm machte das Gerede nicht halt. Man scherzte, er sei deswegen so hoch, weil die Einsiedler auf diese Weise etwas von der Welt zu sehe bekamen. Und als 1812 die napoleonische Armee das Kloster zerstörte, verbreitete sich das Gerücht, die Mönche haben irgendwo Schmuck versteckt und die kupferne Glocke im Garten vergraben.

1831 beschlagnahmte Zar Nikolaus I. das gesamte Eigentum von Pažaislis und die Kamaldulenser mussten das Kloster verlassen. Als ihre Nachfolger zogen orthodoxe Mönche ein, die bis 1915 in Pažaislis blieben. Inzwischen wird das Kloster von der Kongregation der Schwestern des Hl. Kasimir geleitet, die es auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Jeder kann sich mit den einzigartigen künstlerischen Werten von Pažaislis vertraut machen und sich seine eigenen Gedanken zu den vielen Mythen um die Entstehung des Klosters machen.