Die Landsitze um Kaunas und ihre exzentrischen Gründer

Der bald 100 Jahre alte Botanische Garten der Vytautas-Magnus-Universität ist bei den Bewohnern von Kaunas ebenso beliebt wie bei Gästen der Stadt. An den Wochenenden finden hier oft Hochzeitsfeiern statt und im Sommer locken Magnolien, Päonien und Rosen mit ihrer Blütenpracht. Die über 60 Hektar große Anlage ist aber nicht nur für ihre Gewächse berühmt. Eine spezielle Aura erhält sie durch Gut Aukštoji Freda, um dessen Gründer Juozapas Godlevskis sich allerlei pikante Geschichten ranken.

Das von den historischen Quellen erstmals im 15. Jahrhundert erwähnte Freda war damals nicht mehr als ein Dorf aus Holzhäusern und ist heute eine Rajongemeinde bei Kaunas. 1799 erstand der Gutsbesitzer J. Godlevksis das Land um Freda. Er ließ ein säulengeschmücktes Herrenhaus im Stil des Klassizismus errichten sowie einen Park mit Teichen anlegen.

Ein Landsitz, der viel über seinen Gründer verrät

Über den Gründer von Gut Aukštoji Freda weiß man viele Geschichten zu erzählen. So heißt es, dass der aus Samogitien stammende Godlevskis nie ein Gymnasium besucht und seinen Reichtum dem geschickten Ausnutzen politischer Wirrnisse zu verdanken habe. Erst mit 64 Jahren entschloss er sich zur Heirat. Seine Auserwählte war 45 Jahre jünger als er!

Das Anwesen spiegelt Godlevskis Persönlichkeit wider. So ließ er das Herrenhaus auf der höchsten Stelle des Gutsgeländes errichten. Vom Balkon des ersten Stocks öffnete sich dem Betrachter ein wunderbarer Blick auf den Park. Godlevskis unterhielt ein 32-köpfiges Orchester und verlieh seiner Liebe zur Musik auch im Inneren des Hauses Ausdruck: Wände und Decken des Salons ließ er mit Motiven pflanzenumrankter Musikinstrumente ausgestalten.

Die beiden Teiche im Park wurden in Form eines J und eines G – Godlevskis Initialen – ausgehoben. In Litauen ist dies die einzige derartige Selbstverewigung eines Adeligen. Neben einem der Teiche ließ er einen hölzernen Pavillon errichten, in dem die schönsten leibeigenen Frauen lebten. Godlevskis selbst war hier oft zu Gast, und der Pavillon wurde bald das „Liebeshaus“ genannt.

Vom Fort Kaunas zum Botanischen Garten

Ungeachtet der pikanten Histörchen war Godlevskis allerorts geschätzt. Er finanzierte nicht nur den Bau von Aukštoji Freda, sondern auch der Gutshöfe Išlaužas und Linksmadvaris sowie der Kirchen von Veiveriai und Garliava. In letzterer fand er 1867 seine letzte Ruhe: sein Sarg wurde im rechten Kirchturm eingemauert.

1883 enteignete das Zarenregime das Anwesen, um das IX. Fort Kaunas zu errichten. Fortan lebten im Herrenhaus und den übrigen Gebäuden der Festungskommandant General Oskar Klemm und seine Mannen. Auf dem Gutsgelände wurden Artillerielager, ein neuer Marstall, ein Dampfbad und eine orthodoxe Kirche für die  Offiziere errichtet.

Nach dem Ersten Weltkrieg wollte man in Aukštoji Freda in eine Präsidentenresidenz umwandeln. Dieser Pläne ungeachtet entstand 1920 auf dem Gutsgelände eine Gartenbauschule, und im Jahr 1923 schließlich der Botanische Garten. In der Orangerie, die zwischen den Kriegen entstand, reifen heute Papaya und Bananen, und im Rosengarten des Parks wachsen mehr als 1.000 Rosenarten, darunter auch besonders alte Sorten, die an eine entschwundene Kultur erinnern.

Žemaitkiemis – von General Nagevičius ersonnen

Etwa 30 km von Kaunas entfernt lädt ein weiterer Herrensitz zu einem Besuch ein. Der Gutshof Babtynas wurde einst von der Familie Šiuksta gegründet und bestand damals aus Holzgebäuden. Später saßen hier die Prosor und Tyszkiewicz, bis das Anwesen 1922 dem prominenten General Vladas Nagevičius für seine militärischen Verdienste zufiel. Der aus Kretinga stammende neue Besitzer nannte das Gut fortan Žemaitkiemis.

Nagevičius galt als litauischer Traditionalist und vorbildlicher Landwirt. Gemeinsam mit seiner Frau Veronika ließ er die Gebäude renovieren, den Park in Pflege nehmen und die Ställe erheblich ausbauen. Auf dem Gut wurden litauische Feste gefeiert und im Innenhof fanden Theateraufführungen statt. Der General war ein Intellektueller, der mit hochrangigen Personen wie auch mit einfachen Arbeitern mühelos ins Gespräch kam. Als der Krieg ausbrach, musste Nagevičius das Gut verlassen und ging in die Vereinigten Staaten.

1999 erwarb der Unternehmer Mindaugas Šventoraitis den Landsitz. Er ließ sich hier nieder und begann mit Restaurierungsarbeiten. Heute werden hier Konzerte und Treffen für Freilichtmaler veranstaltet, und wer möchte, kann Gutsräumlichkeiten für eine private Feier im Stil der alten Adelskultur mieten.