Das Erbe der Tyszkiewicz – repräsentative Landsitze

Die Grafen Tyszkiewicz sind sicher eine der bekanntesten Adelsfamilien Litauens. Die Familie mit einem bis auf das 16. Jahrhundert zurückgehenden Stammbaum stieg im Verlauf mehrerer Hundert Jahre zu den vermögendsten Grundbesitzern des Landes auf. Ihre Zig Landsitze stachen durch repräsentative Eleganz, subtile Ästhetik und beeindruckende Landschaftsparks hervor. Die wohlhabenden Tyszkiewicz bauten jedoch nicht nur Herrenhäuser, sondern kümmerten sich auch um die industrielle Entwicklung, soziale Angelegenheiten und trugen wesentlich zur Entwicklung der örtlichen Gemeinschaften bei.

Eine Ahnung von Leben und Kultur der Grafenfamilie vermittelt ein Besuch der Gutshöfe Užutrakis, Trakai Vokė, Raudondvaris, Palanga oder Kretinga.

Gut Užutrakis

Gut Užutrakis am See Galvė befand sich seit 1897 im Besitz der Tyszkiewicz. Damals ließ Józef Tyszkiewicz gemeinsam mit seiner Frau Jadvyga anstelle des bereits stehenden hölzernen Gutshauses ein elegantes Palais im Stil des Klassizismus errichten, dessen Inneres Möbel aus Paris und Kristalllüster schmückten.

Der von dem Warschauer Architekten Jan Hus entworfene, weiße Palast diente den Tyszkiewicz zunächst als Sommerresidenz. Der einzige Landweg zum Herrenhaus erschien den anspruchsvollen Grafen zu schlecht. Stattdessen pflegten sie über eine Landenge zwischen den Seen Galvė und Skaistis auf dem Wasser anzureisen.

Ein wahres Schmuckstück war der von dem Franzosen Édouard François André entworfene, mit Lindenalleen, Zierbeeten und Skulpturen ausgestattete Park von Gut Užutrakis, der auch heute noch ein beliebtes Ziel für Brautleute und Romantiker ist.

Gut Trakų Vokė

Der Landsitz Trakų Vokė Mitte wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Jan Witold Emanuel Tyszkiewicz und seiner Frau Izabela gekauft. Zunächst verbrachte sie hier nur die Sommerfrische, bis sie beschlossen, gänzlich nach Trakų Vokė überzusiedeln. Das vornehme Herrenhaus wurde vom italienischen Architekten Leandro Marconi nach dem Vorbild der Königsresidenz in Warschau entworfen.

Der zweistöckige Palast wurde mit acht Skulpturen geschmückt, und die Innenreinrichtung beeindruckte durch erlesenen Geschmack: an den Wänden hingen Gemälde, die Räume wurden durch Marmorkamine beheizt und die Möbel waren auf Auktionen erstanden oder auf Auftrag im Ausland gefertigt.

Nach dem Tod des Grafen wurde Gut Trakų Vokė an seinen Sohn Józef vererbt. Dieser ließ den Park 1982 von dem damals sehr populären Landschaftsarchitekten É. André neugestalten. Die Kaskaden in den Hängen hatten sogar separate Steinwannen für die Damen und die Herren!

Gut Raudondvaris

Gut Raudondvaris bekam Benedikt Emanuel Tyszkiewicz von seinem Vater Michał Tyszkiewicz im Jahr 1825 zur Hochzeit geschenkt. Der neue Besitzer ließ das durch ein Feuer verwüstete Herrenhaus neu errichten und geizte auf dem Gut auch sonst nicht mit Zeit und Geld. Der mit schwedischen Kachelöfen und den Porträts von Königen und Edelleuten ausstaffierte Palast verfügte über ein Badezimmer und sogar vier Toiletten! Das war zu damaligen Zeiten unerhört fortschrittlich.

Nicht weniger eindrucksvoll waren Gutspark und Orangerie gestaltet. Letztere war berühmt für ihre Zitrusfrüchte und exotischen Pflanzen, welche die Grafen von ihren Reisen mitgebracht hatten. Zusätzlich sorgten bunte Papageien und Äffchen für die Kurzweil der Gäste, und eine Zeitlang wurden sogar drei Aligatoren gehalten!

Gut Palanga

Die Tyszkiewicz, die 1824 Gut Palanga erwarben, werden auch als Gründer des Ferienorts angesehen. Sie ließen den Strand herrichten, Straßen verlegen und Sommerhäuser bauen. Auch das erste Hotel-Restaurant vor Ort, das „Kurhaus“ ging auf ihre Initiative zurück.

Seine heutige Form erhielt das Herrenhaus Palanga zu Zeiten von Feliks Tyszkiewicz, der 1891 den Deutschen Franz von Schwechten mit dem Entwurf betraute. Rund um den Palast schuf E. Andre einen spektakulären Park, der bei Bewohnern und Gästen der Stadt auch heute noch sehr beliebt ist. Unter jahrhundertealten Kiefern wurden Parkwege und Teiche angelegt und verschiedenste Bäume und Sträucher gepflanzt. Bis heute erhalten ist der riesige Rosengarten.

Gut Kretinga

Gut Kretinga wurde im Jahre 1874 von Jósef Tyszkiewicz erworben, der bald darauf mit der ganzen Familie hierher übersiedelte. Das Palais im Stil der Neorenaissance stand damals bereits, doch Tyszkiewicz ließ es leicht umbauen und verschönern. Das zweistöckige Gebäude erhielt einen Anbau in Form einer beeindruckenden Orangerie, die einen der größten privaten Wintergärten Europa beherbergte. Die ganzjährig grünen und blühenden exotischen Pflanzen erschienen den damaligen Gästen wie ein echtes Wunder.

Die Tyszkiewicz investierten auch in Industrie und kümmerten sich um soziale Fragen. In der Wassermühle wurde das erste Wasserkraftwerk errichtet, und neben dem Gutshof entstanden zuerst ein Alten- und Waisenheim, später der erste litauische Kindergarten.